In den letzten Jahren besuchten wir zwei Mal bei einer Fahrt in der Ostschweiz und im Rheintal den Kanton Graubünden, allerdings nur in einer nördlichen Ecke. Dieses Jahr trafen wir uns im Domleschg, sozusagen „mitten“ im grössten Kanton der Schweiz und machten sogar einen Abstecher nach Italien. Treffpunkt war das Fahrsicherheitszentrum DrivingGraubünden in Cazis. Dort fand das 4. Oldtimertreffen statt, und wir bereicherten mit rund 20 Peugeots diesen Anlass. Bei der Anfahrt hielt der Himmel seine Schleusen noch weit offen, doch angesichts der schönen Peugeots und der anderen Oldtimer hatte er bald ein Einsehen, es trocknete und auch die Sonne zeigte sich. So konnten wir nach der Stärkung bei Kaffee und Gipfeli einen Querschnitt durch die Oldtimerszene Graubündens und Umgebung besichtigen. Zahlreiche landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte, aber auch eine fahrende mechanische Werkstatt waren zu sehen. Neben vielen Mercedes, darunter einen 300 SL Flügeltürer, waren zahlreiche Vertreter europäischer Marken anwesend, vom Brezelfenster-Käfer bis zum Porsche 911 und vom Topolino bis zum Fiat 130 Coupé.
Organisator Thomas Hess und seine Equipe hatten eine Fahrt durchs Domleschg und weiter nach Süden vorbereitet. Es galt, den gelben Tafeln einer heimischen Baufirma zu folgen. Nach Rothenbrunnen stieg die Strasse am Schloss Ortenstein vorbei steil an, war aber immer noch geteert. Bei einer Abzweigung mussten wir dann auf einem unbefestigen Waldsträsschen weiterfahren, immer im Vertrauen darauf, dass die Vorderen das richtig gesehen haben und niemand eine Wegweisertafel falsch aufgestellt hat. Streckenweise fuhren wir über Wege, die in der Mitte einen Grasstreifen aufwiesen und bei den schlammigen Passagen ein Rally-Feeling aufkommen liessen. Aber wir befanden uns immer auf dem richtigen Weg, und beim Passieren der idyllischen Dörfer winkten die Leute der Peugeot-Kolonne begeistert zu. Thomas Hess hatte uns auf die verschiedenen Sehenswürdigkeiten aufmerksam gemacht. Zahlreiche Burgen und Schlösser säumten unseren Weg, u.a. Schloss Rietberg, wo Jürg Jenatsch einen seiner bekannten Widersacher umbrachte. Aber auch moderne Bauten zeitgenössischer Architekten entstanden in den letzten Jahren in den beschaulichen Dörfern. Bei Fürstenau erreichten wir wieder den Talboden, liessen einen berühmten Gourmettempel links liegen und fuhren an Thusis vorbei in Richtung Via Mala. Zuerst befuhren wir die alte Nationalstrasse und wechselten anschliessend auf die alte Passstrasse, die an Felswänden und Schluchten vorbei führte. Via Mala – schlechter Weg – kein Wunder, konnten die alten Säumer und Fuhrleute diesem Abschnitt der Route in den Süden nichts Positives abgewinnen. In Zillis erreichten wir das Schams oder Val Schons, und auch dieses Tal durchquerten wir nicht auf der Hauptroute, sondern über malerische Nebenstrassen und schmale Holzbrücken. Die nächste Attraktion war die Rofla-Schlucht, ein weiteres schwierig zu überwindendes Hindernis auf dem Weg Richtung Splügen und San Bernardino. In der Roflaschlucht erwarteten uns über ein Dutzend Peugeot-Freunde des Club Storico Peugeot Italiano. Der letzten Abschnitt bis Splügen führte dann über gewisse Strecken der Autobahn entlang, aber neben dieser liess sich die Fahrt weit beschaulicher geniessen.
In Splügen kehrten wir im Hotel Bodenhaus ein, einer bald 300 Jahre alten ehemaligen Unterkunft für Fuhrleute und Güter. Splügen war ein wichtiges Zentrum des Passverkehrs und diese Bedeutung ist auch heute noch sichtbar. Im gediegenen Speisesaal stärkten wir uns für die letzte Etappe, den Splügenpass. Am Morgen fragten sich manche, ob wohl Schneeketten sinnvoll gewesen wären, aber angesichts des freundlichen Wetters konnten wir beruhigt sein. Immerhin stieg die Strasse nach Splügen bis auf rund 2’100 m.ü.M. Die Zollstationen beim Scheitelpunkt waren verlassen – Schengen lässt grüssen. So konnten wir bei der Rückfahrt den Grappa nicht deklarieren. Die Fahrt auf der Passstrasse erschien wie eine Reise in eine andere Zeit, als die Haarnadelkurven noch ohne Servolenkung bewältigt wurden und der Wechsel vom zweiten in den dritten Gang gut überlegt sein wollte, um den Schwung mitzunehmen. Ein paar Kilometer nach der Passhöhe erschien das Dörfchen Montespluga als erste Siedlung auf der italienischen Seite des Passes. Dort wurden wir in der Trattoria bereits zu Kaffee, Gelato oder Biscotti erwartet. Der grosse Ofen war eingeheizt und so konnten wir die Zielankunft entspannt geniessen. Die Motoren mussten ja richtig abkühlen, bevor wir den Heimweg unter die Räder nahmen. Die Italiener fuhren zum Teil direkt nach Chiavenna weiter, die andern mit den Schweizern zurück über die Passhöhe nach Splügen. Für die Rückreise wählten die meisten die Autobahn, aber dieses Mal im Bewusstsein, wie viele Sehenswürdigkeiten abseits der grossen Heerstrassen zu finden sind und es sich lohnt, diese auch wieder einmal zu verlassen und die Sehenswürdigkeiten aufzusuchen.
Ein herzliches Dankeschön, tante Grazie an Thomas Hess und seine Equipe, aber auch an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer von nördlich und südlich der Alpen.
Thomas Vögeli