Der Raid Suisse-Paris ist etwas ganz Spezielles und wenn man ihn dann noch mit einem französischen Auto fährt, so gibt das dem ganzen Anlass noch eine besondere Note.
Dieses Jahr sind wir mit unserem Peugeot 504 Cabrio zum dritten Mal den Raid gefahren. Wie immer hat mich meine Tochter Stefanie als versierte Copilotin begleitet. Zu meinen Vorbereitungen gehört hauptsächlich ein technischer Check des Fahrzeuges durch das Team von Autotechnik Eggimann in Sissach. Wie meistens gab es ausser geringen Einstellungskorrekturen und etwas Nachfüllen von Betriebsflüssigkeiten nichts zu tun. Dann sind natürlich die Unterlagen bereit zu stellen, Kartenmaterial zu besorgen, Ersatzbatterien für die Uhren zu prüfen, die Reglemente zu studieren und zuletzt die kleinen Koffer zu packen. Die letzte Wagenwäsche hat mich dieses Jahr leider ein Natel gekostet, das im Putzeimer ertrunken ist.
Am Donnerstagvormittag dann die erste kurze Nervenprobe. Die Einfahrt ins Areal der Muba muss innerhalb einer vorgegebenen 10 Minutenphase erfolgen, nicht früher und nicht später, und komplett mit allen Unterlagen inkl. Namensschild umgehängt. Hier kann der nachlässige Teilnehmer sonst bereits erste Strafpunkte sammeln. Die anschliessende kurze technische Kontrolle sollte eigentlich bei unseren so zuverlässigen Peugeots kein Problem sein. Trotzdem ist man froh, wenn auch diese Hürde geschafft ist und die Einfahrt in die grosse Mubahalle freigegeben wird.
Jetzt erhält man die restlichen Unterlagen mit Roadbook, Raid-Plakette und Startnummer. Der nächste Treffpunkt ist das Fahrerbriefing, wo noch letzte Informationen und allfällige Änderungen oder Ergänzungen zu den schriftlichen Unterlagen mitgeteilt werden. Wenn die Plakette und die Startnummern am Auto angebracht sind, so bleibt jetzt noch genügend Zeit für einen Rundgang durch die Halle, für die Besichtigung der anderen Fahrzeuge und die Begrüssung von Bekannten.
Dann geht es bereits los und die ersten Fahrzeuge fahren aus der Halle in den Rundhof auf die Startrampe und dann los Richtung Paris.
Die Strecke wird von den Organisatoren jedes Jahr neu gewählt, normalerweise nur Landstrassen mit relativ wenig Verkehr und durch landschaftlich schöne Gegenden. Vor drei Jahren sind wir durchs Gebiet der Loire gefahren und letztes Jahr durch die Vogesen und Nordfrankreich.
Die Durchschnittsgeschwindigkeiten, die zu fahren sind, liegen je nach Kategorie und Etappe zwischen 36 und 49 km/h und sind in der Regel gut zu meistern. Wenn jedoch plötzlich ein Traktor die Strasse gemütlich entlang fährt und nicht überholt werden kann, so kann auch eine tiefe Durchschnittsgeschwindigkeit plötzlich zum Problem werden. Für die Etappenankunft wird jeweils ein Zeitfenster von 10 bis 15 Minuten gewährt, da die Fahrt nicht zu einem Rennen werden darf. Bei den Spezialprüfungen über jeweils rund 8 bis 16 km und bei den Schlauchprüfungen mit maximal 100 m Länge zählen jedoch die Zehntelsekunden. Jede Abweichung nach oben oder nach unten um 1/10 Sekunde ergibt einen Strafpunkt. Die Roadbook sind ausgezeichnet gemacht und praktisch fehlerfrei. Allerdings ist die volle Aufmerksamkeit des Copiloten notwendig, damit keine Abzweigung verpasst wird. Meine Copilotin berechnet auch jeweils die Distanzkorrektur, da der serienmässige Tageskilometer-Zähler meines Autos für Roadbook-Angaben zu wenig genau ist.
Die diesjährige Route führt zuerst durch den Jura mit 2 Spéciales und einer Schlauchprüfung über die Strecke der Bergrennen von St. Ursanne – allerdings in der falschen Richtung – nach Besançon, wo die Teilnehmer der Kategorien Veteranen (Fahrzeuge bis Baujahr 1939) und Tourisme in zwei Hotels untergebracht werden. Die Teilnehmer in der Kategorie Sport fahren noch weiter und können einige sportliche Zusatzprüfungen absolvieren, bevor sie dann in Dijon ebenfalls zu einer kurzen Nachtruhe kommen.
Am Freitag fahren wir mit je 3 Spéciales und Schlauchprüfungen über Langres nach Troyes, wo mittags das traditionelle Raid-Buffet serviert wird. Auch dieses Jahr findet dieses Essen in einem historischen Rahmen, im Saal des Hôtel de Ville, statt. Nach dem Mittagessen geht es weiter über Vert-la Gravelle nach Reims, wo wir unsere Fahrzeuge auf dem Gelände der Champagne de Castelnau abstellen können. Dort wird uns auch ein ausgezeichnetes Abendessen mit einer reichhaltigen Auswahl von verschiedenen Champagnern und Weinen serviert. Die Kategorie Sport muss auch auf diesen Anlass verzichten, da sie wieder eine Zusatzprüfung auf einem Rundkurs absolvieren dürfen oder müssen.
Samstag ist der Schlusstag des sportlichen Teils und da alle bereits auf mindestens zwei Tage Raid-Erfahrung zurückblicken können, ist die Atmosphäre entsprechend locker und entspannt. Es stehen auch nur noch 2 Spéciales und eine Schlauchprüfung bevor. Vor dem Start wird ein Lunchpaket gefasst, da kein festes Mittagessen vorgesehen ist. Von Reims aus fahren wir nach Laon, wo wir von den „Amis de la Montée de Laon“ mit einer kleinen Sonderausstellung mit einigen schönen Peugeot empfangen werden. Dieser Club veranstaltet jährlich im Mai einen Oldtimer-Anlass in Laon mit über 500 teilnehmenden Fahrzeugen. Weiter geht es nach Versigny, wo im Park des Schlosses die Zielankunft des Raid 2009 liegt. Zum letzten Mal wird die Zeit gemessen und ins Bordblatt eingetragen. Am Donnerstag sind wir etwa 220 km, am Freitag 360 km und am Samstag 250 km weit gefahren, total also rund 830 km bis nach Paris.
Nach dem Aperitif mit viel Fachsimpeln und etwas gross Angeben – wie gut man die Speziales gemeistert hat – fährt man ins Zentrum von Paris zum Hotel. Dort versorgt man sein Auto in der Einstellhalle und bezieht die Zimmer für die letzte Nacht. Ab 19.00 Uhr findet dann der Gala-Abend mit Rangverkündigung und Preisverleihung statt. Wir haben trotz einem Handicap von 25 Punkten (weil unser Peugeot mit 31 Jahren noch zu den Young-Timern gehört) im 35. Rang von total 163 klassifizierten Fahrzeugen abgeschlossen.
Die Heimreise in die Schweiz kann jeder individuell planen. Wir haben die Rückfahrt bei schönstem Wetter zusammen mit einem Porsche 356 C und einem Ferrari 308 GTB gemacht; zuerst allerdings am Sonntagmorgen die obligate Fahrt über die Champs Elysée bis zum Obelisken und dann wieder zurück.
Erstaunlich ist, dass unter den rund 170 Oldtimern nur 6 französische Autos sind. Seit einigen Jahren fährt ein Damenteam Tschudin und Büchner mit einem 304 Cabrio unseres Mitgliedes Paul Hatebur mit. Dann war dieses Jahr unser Mitglied René Brunner mit einem 504 dabei und ein weiterer Peugeot 404 Cabrio. Dann noch ein Traction Avant und ein 2 CV; aber kein einziger Renault oder Simca, auch keine DS oder ID. Die bereits so schon grosse Begeisterung der Zuschauer am Strassenrand oder bei den Zwischenhalten steigerte sich jeweils nochmals gewaltig, wenn wir mit unserem Peugeot vorbeifuhren; jeder hatte mal so einen oder der Vater oder der Copain hatte so einen… .
Das ist meines Erachtens übrigens das Schönste am Raid; die Begeisterung der Bevölkerung in Frankreich. Da wird in den Dörfern lange gewartet und wenn wir dann endlich vorbeifahren wird gejubelt, applaudiert und gestrahlt. Und keiner reklamiert wegen dem Lärm oder Gestank, den wir nun mal produzieren.
Der Raid ist kein günstiger Anlass, da sich die Organisatoren für ihre Arbeit gut bezahlen lassen; als Gegenwert erhält man aber auch eine perfekte Organisation und unbeschwerten Fahrspass von Basel nach Paris. Vier Tage lang gemütlich und zufrieden mit dem Oldtimer durch wunderschöne Landschaften fahren, am Abend ist das Hotelzimmer reserviert und für das Auto steht ein gut bewachter Parkplatz zur Verfügung. Dazu die sportliche Herausforderung die geforderten Durchschnittsgeschwindigkeiten und Zeiten einzuhalten, die richtige Route zu finden und das Auto gut im Schuss zu halten. Die grosse Arbeit und Verantwortung hat der Copilot, für den Fahrer selber ist es eigentlich reines Vergnügen.
Marcel Durrer