Ausfahrt zum 40-Jahr-Jubiläum ins Land der Löwen, 13. bis 15. Mai 2022
Die Einladung zur Jubiläumsfahrt zum 40-jährigen Bestehen des Klubs las sich vielversprechend; drei Tage mit den alten Peugeots durch das Land der Löwen reisen und Sehenswürdigkeiten entdecken. So trafen sich am Freitagmorgen des 13. Mai siebzehn Equipen im Hotel Egerkingen, um gemeinsam die erste Etappe unter die Räder zu nehmen. Bei der Anfahrt herrschte zwar streckenweise noch Regenwetter, aber dieses verzog sich alsbald, und zwar für das gesamte Wochenende. Das reichhaltige Buffett stellte sicher, dass alle für die bevorstehende Reise gut vorbereitet waren. Die Organisatoren hatten die Route für das Navi vorbereitet und zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Der Weg führte uns über den Passwang nach Laufen und Kleinlützel zur Grenze und weiter ins Sundgau. Via Ferrette, Altkirch und Thann ging es nach Nordwesten, dabei überquerten wir die Vogesen auf dem Col de Bramont und erreichten nach rund 170 km das Städtchen Gérardmer. Dieses liegt am gleichnamigen See im waldreichen Gebiet der südwestlichen Vogesen. Es wurde im 13. Jahrhundert gegründet und 1285 erstmals erwähnt (Geramer). Der Ortsname variierte im Lauf der Jahrhunderte, so z. B. zu Giramoix (1343), Geroltzsee (1484), Gyraulmey (1556) und Jerosmé (1663). Seit 1779 wird die heutige Form verwendet, die im Bestimmungsort an den Namen Gérard/Gerhard und im Grundwort an mer (‚See‘) angeglichen wurde.1875 wurde in Gérardmer das erste Tourismusbüro Frankreichs eingerichtet. Seither bezeichnet sich der Ort als „Perle der Vogesen“ und wurde als Ferienort auch für Pariser attraktiv, denn er erhielt einen Eisenbahnanschluss. Noch heute spielt der Tourismus eine bedeutende Rolle, und zwar im Sommer wie im Winter.
Unser erstes Ziel in Gérardmer war die etwas ausserhalb des Zentrums befindliche Weberei Garnier-Thiebaut. Diese entwirft und fertigt seit 1833 hochwertige Textilien in sämtlichen Produktionsphasen. Nach dem Import des Rohgarns erfolgt das Färben und Weben sowie die Veredelung und die Konfektion in Gérardmer. Diese Produkte, die am Gütezeichen „Vosges Terre Textile“ erkennbar sind, bieten eine echte Garantie für Rückverfolgbarkeit in einer Branche, in der die Konkurrenz die Produktion zunehmend auslagert. Garnier-Thiebaut konzentriert sich auf Qualität und Service und verfügt über zwei eigene Werke in den Vogesen, in denen die gesamte Wertschöpfungskette von der Verarbeitung der Garne bis zum Versand der fertigen Produkte stattfindet und vom Unternehmen kontrolliert werden kann.
Im Werk von Garnier-Thiebaut, das nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde, konnten wir die einzelnen Webstühle in voller Aktion aus der Nähe anschauen. Ein Grossteil der Textilindustrie ist ja mittlerweile nach Asien abgewandert, und so war das eine besondere Gelegenheit, die Produktion in einer Weberei zu besichtigen. Eine Spezialität ist die von einem Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts erfundene Jacquardmusterung. Dies ist ein technisches Verfahren, das die automatisierte Herstellung von gemusterten Textilien, insbesondere Geweben, erlaubt und eigentlich eine frühe Form einer digitalen Technik darstellt. Trotz der über zweihundert Jahre alten Tradition hat aber auch in dieser Industrie die Moderne Einzug gehalten, indem die Maschinen digital gesteuert und überwacht werden und bspw. Fadenbrüche auf einem Bildschirm angezeigt werden. Neben der Weberei konnten wir auch die Konfektion von Heimtextilien besichtigen, ein Arbeitsschritt, der noch viel Handarbeit an zahlreichen Nähmaschinen erfordert. Die fertigen Produkte konnten im fabrikeigenen Laden erstanden werden.
Nach der Rückkehr zum Hotel und dem Bezug der Zimmer wartete auf der Terrasse ein Apéro und anschliessend in dem zum Hotel gehörenden gemütlichen Lokal namens L’Assiette du Coq à l’Ane das Nachtessen. Auf den Tellern befanden sich aber weder Hähne noch Esel, sondern ein feines Menu. Bei bester Stimmung ging der erste Tag des Ausflugs zu Ende.
Am nächsten Morgen versammelten sich alle nach dem Frühstück zur Fahrerbesprechung auf dem Parkplatz. Ziel der zweiten Etappe der Ausfahrt war das Schiffshebewerk in Saint-Louis/Arzwiller (nicht zu verwechseln mit St. Louis bei Basel), rund 100 km nördlich von Gérardmer, im Departement Moselle in der Region Grand Est. Die Fahrt dorthin führte durch eine ländlich geprägte Gegend mit kleinen Dörfern und ausgedehnten landwirtschaftlich genutzten Flächen. Fast ungewohnt ist heute eine Fahrt durch dünn besiedeltes Land, wo allenfalls nach zehn oder noch mehr Kilometern wieder einmal ein Weiler oder Dorf auftaucht. An einer im Wald verlaufenden abfallenden Strasse befand sich der Eingang zum Schiffshebewerk. Der erste Eindruck war ähnlich wie beim Betreten der Talstation einer Bergbahn. Nach dem Passieren des Eingangsbereichs fanden wir uns aber unmittelbar neben einem Kanal mit Sicht auf einen Fluss in etwa 50 Meter Tiefe und daneben eine Art schräge Rampe. Der vermeintliche Fluss ist Teil des Rhein-Marne-Kanals. Das Schiffshebewerk mit Schrägaufzug von St-Louis-Arzviller ist eine in Europa einmalige technische Sehenswürdigkeit. Dieser „Fahrstuhl für Schiffe“ ersetzt seit 1969 17 Schleusen, wofür die Lastkähne früher einen ganzen Tag benötigten. Heute wird der Höhenunterschied von knapp 45 Metern in vier Minuten überwunden. Ein mit Wasser gefüllter Trog (41,5 x 5,5 Meter) nimmt die Schiffe auf und wird auf einer schiefen Ebene auf Rollen nach oben bzw. nach unten gezogen. Der Trog wird mit zwei Gegengewichten im Gleichgewicht gehalten und von zwei Elektromotoren bewegt. Da die Schiffe im Trog so viel Wasser verdrängen, wie sie wiegen, besteht immer ein Gleichgewicht (fast: der Trog steht beim unteren Einlass etwas höher und beim oberen Einlass etwas tiefer wie der Kanal. Dadurch funktioniert das System fast ohne zusätzlichen Energieaufwand!).
Zunächst konnten wir von oben das Heben eines Schiffs besichtigen. Dieses fuhr dann aus dem Trog, worauf die Passagiere an Land und wir an Bord gingen. Hierauf fuhr das Schiff zurück in den Trog, dieser wurde geschlossen und alsbald senkte er sich nach unten, während sich die Gegengewichte nach oben bewegten. Ein wahrhaft geniales System. Unten wurde das Schiff wieder in den Kanal entlassen und fuhr eine grössere Schlaufe, bis es wieder in die Höhe ging. Heute wird die Einrichtung praktisch nur noch von Ausflugsbooten benutzt, während früher der Warentransport auf den Kanälen noch eine wichtige Rolle spielte.
Auf der Rückfahrt besuchten einige Teilnehmende eine Cristallerie (baccarat.de), wo man das Handwerk der Glasbläser vor Ort beobachten und kunstvoll gefertigte Glaswaren kaufen konnte.
Die Route für die Rückreise konnten alle individuell wählen. Wir wählten den Weg durch ein ausgedehntes Waldgebiet, das sich über die Departemente Moselle und Bas-Rhin erstreckte und auf dem Col du Donon eine Hügelkette der Vogesen überquerte. Zeitweise war weitherum bis zum Horizont nur Wald zu sehen, eindrücklich im Vergleich zu den dichtbesiedelten Regionen in der Schweiz. Aber selbst an solchen abgelegenen Orten findet sich hie und da eine Gaststätte, die zu einer wohlverdienten Rast einlädt, und wenn auf dem Parkplatz ein klassischer Peugeot steht, blieb man nicht lange allein. Jedenfalls fanden sich alle am späten Nachmittag wieder in Gérardmer ein. Dort trafen wir uns wieder zum Apéro und danach wurde im festlichen Saal des Grand Hotel das Nachtessen aufgetragen. Der abwechslungsreiche Tag bot viel Gesprächsstoff, und alle freuten sich, nach der tristen Zeit der Pandemie wieder die Geselligkeit zu pflegen.
Am nächsten Morgen war bereits Koffer packen angesagt, und bei der Fahrerbesprechung wurden wir über den Rückweg in die Schweiz orientiert. Dieser führte über Remiremont, Rupt sur Moselle, Mélisey via Belfort und Delle nach Tramelan im Berner Jura. Tramelan ist ein typisches Uhrmacherdorf: Seine Vergangenheit ist vom Aufschwung der Uhrmacherei gekennzeichnet. Mehrere Uhrenmanufakturen hatten dort ihren Sitz, und viele der Einwohner waren früher als sogenannte paysans horlogers, als Uhrmacher und Bauern, tätig, denn sie haben im Sommer in der Landwirtschaft und in den Wintermonaten auch als Uhrmacher gearbeitet. Die Firmen Record Watch und Unitas haben Anfang der 1900er Jahre zusammen rund 450 Personen beschäftigt. Die Hersteller aus Tramelan sind mit einem beachtlichen Engagement und viel Phantasie ans Werk gegangen. Tramelan bildet einen der Zugänge aus dem Berner Jura in die Freiberge. Auf rund 1’000 m Höhe bilden die Freiberge ein Plateau mit einer authentischen Landschaft aus bewaldeten Weiden, ein wahres Paradies für Naturliebhaber. Im Winter lockt sogar ein Skigebiet mit mehreren Liften.
Etwas ausserhalb von Tramelan steht das Restaurant Les Places. Mit seiner für die Region typischen Architektur und seiner gemütlichen Atmosphäre ist es genauso schön wie der Ausblick, den es von den Anhöhen von Tramelan aus bietet. Dort stärkten wir uns für den letzten Teil des Rückwegs.
Den Organisatoren Cornelia und Thomas Habegger sowie Fatima Oulouda gebührt ein herzliches Dankeschön für die Vorbereitung und Durchführung der Jubiläumsfahrt, alles war perfekt organisiert. Danke vielmals auch für das Material und die Informationen für den Bericht
(vö, Ende Mai 2022). Bilder Jean-Pierre Lechner.